Jael Heinrich und Moritz Beinlich gewinnen Tour d'Energie
Nachdem das Team Strassacker vor einem Jahr den sicher geglaubten Sieg im Finale der Göttinger Tour d’Energie noch aus der Hand gegeben hatten, war noch eine Rechnung mit dem ersten Rennen im GCC-Kalender offen. Mit einer starken und mannschaftlich geschlossenen Leistung konnte das Team Strassacker nun einen Erfolg auf ganzer Linie verbuchen: Jael Heinrich gewann bei den Frauen und Moritz Beinlich bei den Männern.
Von Fabian Thiele
Der Blick aus dem Fenster hatte beim Aufstehen nichts Gutes verhießen, doch pünktlich zum Start kam die Sonne hinter den Wolken hervor und um kurz vor 11 Uhr setzte sich das Fahrerfeld bei nun perfektem Rennwetter und trockenen Straßen in Bewegung. Anders als in den Vorjahren war die Startphase nicht allzu hektisch und bei leichtem Gegenwind auf den ersten 30 Kilometern blieben Attacken eine Seltenheit. Vielleicht lag es auch daran, dass wir uns früh im Rennen mit mehreren Fahrern an die Spitze des Feldes setzten und ein gleichmäßiges Tempo anschlugen. Unser Ziel war es, das Feld bis zum Anstieg im Bramwald zur Rennmitte zusammen zu halten und dort mit unseren starken Bergfahrern in die Offensive zu gehen. Die beiden Anstiege hinauf nach Deiderode sowie in Meensen verliefen wie so oft bei der Tour d’Energie ohne entscheidende Vorstöße. Mit hohem Tempo stürzte sich das Feld hinab ins darauffolgende Tal von Hann. Münden. Nach 50 Kilometern war bis auf einen kleinen Ausflug von Baroudeur Martin Nitzschmann, der gemeinsam mit Moritz Dehnert (Team DKS) ausgerissen war, noch alles zusammen.
Der fünf Kilometer lange Anstieg im Bramwald sollte das Rennen dann komplett verändern: In der Teambesprechung vor dem Rennen hatten wir uns vorgenommen, den Anstieg schon ab dem Fuß mit Vollgas zu fahren und oben zu schauen, wie viele Fahrer dem Tempo würden folgen können. Gesagt, getan: Ben Witt, Jannis Wittrock und Joscha Weber katapultierten die Teamkapitäne mit hohem Tempo in den Anstieg und bereits nach einem knappen Kilometer setzte sich eine kleine Spitzengruppe ab. Nach gut elf Minuten Klettern bestand die Spitze auf der Kuppe nur noch aus vier Fahrern: Der Vorjahresvierte Timo Dahlheimer, GCC-Titelverteidiger Moritz Palm, Neuzugang Moritz Beinlich (alle Team Strassacker) und Marius Sievers (Team La Onda).
Dahinter zerfiel das Feld in viele kleinere Gruppen. Die schnellste Verfolgergruppe um Jonas Kahler und Jonas Brzenczek schaffte bis zur Ortschaft Dransfeld den Anschluss, sodass sich eine zehnköpfige Spitzengruppe auf den Weg zum Fuße des letzten Bergs des Tages Hohen Hagen machten, dem klassischen Scharfrichter bei der Tour d’Energie.
Hier schlug die große Stunde von Moritz Beinlich, unserem Neuzugang. Moritz ist eigentlich Läufer und kam im Winter mit der Empfehlung eines Deutschen Meistertitels im Halbmarathon 2019 und einer Marathon-Bestzeit von 2:16:24 Std. zum Team. Mit starken Leistungen im Herbst war er dem Team aufgefallen und auch im Teamtrainingslager Ende Februar hatte der Eifeler sein Potential erkennen lassen. Sein Auftritt in Göttingen ließ dann aber alle Beobachter staunend zurück: Schon am Fuß des Hohen Hagens setzte er eine Attacke, der niemand aus der Gruppe folgen konnte und hatte an der Kuppe des Anstiegs bereits ein Loch von mehr als 40 Sekunden gerissen. Auf den folgenden knapp 25 leicht abfallenden Kilometern bis ins Ziel in Göttingen zog Moritz in bravouröser Manier durch: 334 Watt für 28 Minuten leistete er am Ende eines harten Rennens und ließ sich als Solist nicht mehr einholen. Am Ende hatte er noch ausreichend Zeit, seinen Sieg in vollen Zügen zu genießen. Ein brillantes Debüt in Celeste.
“Bis zum Bramwald konnte ich dank der Tempoarbeit des Teams viele Körner sparen”, sagte Moritz später im Ziel. “Im Bramwald haben wir es dann gut geschafft, das Feld auseinanderzureißen und als es vor dem Hohen Hagen nochmal zusammengelaufen ist, waren eigentlich alle schon angeschlagen. Ich habe mich aber noch ganz gut gefühlt und bin dann losgefahren. Als ich dann eine Lücke hatte, habe ich mir gesagt, ‘Ich bin noch frisch, also fahre ich jetzt einfach mal’. Dann habe ich versucht, den Rhythmus im Flachen beizubehalten und mich im Wind klein zu machen. Die letzten Meter konnte ich dann fast schon mit einem Grinsen im Gesicht genießen.“
Die Verfolgergruppe konnte zwar nochmal ein paar Meter auf Moritz Beinlich gutmachen, rollte aber letztlich mit gut 20 Sekunden Rückstand über den Zielstrich. Moritz Palm sprintete hinter Benjamin Ahrendt (Team La Onda) auf Rang drei, Timo Dahlheimer wurde Fünfter und unsere beiden Jonasse landeten auf den Plätzen acht und neun. Erwähnung soll hier auch der elfte Rang von Chris Mai finden, der zwar am Bramwald nach einer längeren verletzungsbedingten Rennpause noch nicht bei den Besten mitfahren konnte, sich aber nach seinem schweren Unfall im letzten Jahr mit einem Ausrufezeichen im Peloton zurückmeldete.
Es blieb nicht das Einzige für das Team: Mit einer famosen Vorstellung gewann Jael Heinrich die Konkurrenz bei den Frauen. Besonders in den Anstiegen zeigte sich Jael als die stärkste Fahrerin und setzt sich hier entscheidend von ihren Gegnerinnen ab. Mit rund zwei Minuten Vorsprung siegte Jael am Ende vor Carmen Burmester (Team Haberich) und Naima Diesner (Trek Bicyle Göttingen). Neben dem Sieg in der Tageswertung, räumten Jael Heinrich und Moritz Beinlich jeweils auch noch die Sprint- sowie die Bergwertung ab und schlüpften beide ins Gelbe Trikot der Führenden im German Cycling Cup.
“Ganz großes Kino! Unsere Taktik ist heute zu 100 Prozent aufgegangen. Neun Fahrer unter den ersten 16 – das ist eine außergewöhnliche Demonstration an Klasse und Stärke”, freute sich Teamchef Franco Adamo über den perfekten Saisoneinstand. Die Enttäuschung des Vorjahres, als Soloausreißer Chris Mai 900 Meter vor der Ziellinie gestellt wurde, ist somit vergessen. Das Team reist nun mit breiter Brust nach Frankfurt, wo am 1. Mai mit der Skoda Velotour das nächste Highlight im Jedermannkalender wartet.