Ötztaler Radmarathon: Premiere beim legendären Ötztaler Radmarathon
Sölden. Dass der Mythos “Ötzi” mit seinen knapp 230 km und 5500 Höhenmetern etwas ganz Besonderes im Kalender eines jeden Rennradfahrers ist, durfte ich erstmals am vergangenen Sonntag gemeinsam mit 4200 weiteren Teilnehmern in Sölden hautnah erleben. Am Ende sprang für mich bei der 42. Auflage des Jedermann-Klassikers ein 22. Platz in 7:16 Stunden heraus. Dabei stellte sich die Hitze und der finale Anstieg zum Timmelsjoch auf über 2500 m Höhe als echte Grenzerfahrung heraus. Blicken wir auf das Rennen der Reihe nach zurück:
Von Moritz Beinlich
Am späten Donnerstagabend erreichten mein Betreuer Moritz Palm und ich den Skiort Sölden, um genügend Zeit für die ersten Eindrücke, Vorbereitungen und Anpassungen vor dem Renntag einzuplanen. Am Freitag stand bei traumhaften sommerlichen Bedingungen die Besichtigung des Timmelsjochs an, das wir ruhigen Trittes erklommen. Ein gewagter Blick hinunter auf die letzten Serpentinenkurven flößte mir Respekt und Vorfreude zugleich ein, bevor es wieder zurück auf die Schnelle Abfahrt Richtung Ziel ging. Während der restliche Freitag im Zeichen der Erholung stand, ging es am Samstag wieder strukturierter zu: Rennanpassung, Startnummernausgabe, Bikecheck, Verpflegung, Fahrerbriefing und das obligatorische Carboloading. Es war angerichtet!
Pünktlich um 6:30 Uhr wurde das Rennen mit einem Kanonenschlag gestartet. Auf den ersten abfallenden 30 km bis Ötz ging es für mich darum, von Position 300 kontinuierlich nach vorne zu kommen, um eingangs vom Kühtai-Anstieg keine Gruppe zu verpassen. Das gelang ohne Probleme, sodass ich bei den ersten Tempoverschärfungen in den steileren Passagen immer reagieren und Anschluss halten konnte. In einem kontrolliert zügigem Tempo fuhr eine ca. 40-köpfige Führungsgruppe der ersten Verpflegungsstelle entgegen. An dieser Stelle möchte ich mich beim Radteam aus Forchheim und dessen Betreuerstab bedanken, die mich am Kühtai-, Brenner- und Jaufenpass verpflegt haben. Nun ging es in die pfeilschnelle Abfahrt nach Innsbruck, die ich mit dem Sieger aus 2021 Johnny Hoogerland von vorne aktiv gestalten konnte. Im Vorhinein konnten mir einige Ötzi-erfahrene Teamkollegen wie Ben Witt Tipps zu Renneinteilung, Material und Verpflegung geben, sodass ich am Brennerpass wusste, dass ich die Speicher auffüllen und mich im Windschatten verstecken sollte.
Das Rennen nahm Fahrt auf, als eine Attacke die nächste jagte, bis sich schließlich eine vierköpfige Ausreißergruppe absetzen konnte. Das Hauptfeld mit den Topfavoriten um den Vorjahressieger Jack Burke, den ehemaligen MTB-Weltmeister Alban Lakata und weiteren Ötzi-Routiniers wie Hans-Georg Leopold, Daniel Federspielund Johnny Hoogerland ließ das unbeeindruckt.
Als es kurz nach Sterzing in den vorentscheidenden Jaufenpass anstieg, dezimierte sich das Hauptfeld zügig auf ca. 12 Mann. Ich konnte der abwechselnden Führungsarbeit von Lakata und Leopold folgen und geriet erst kurz vor dem Gipfel unter Druck. In dem Moment, wo ich einen Beutel mit Flaschen griff, erhöhte die Gruppe das Tempo, sodass ich mit einer kleinen Lücke in die technische Abfahrt auf Verfolgungsjagt ging.
Direkt nach der Abfahrt spürte ich in St. Leonhard erstmals die Hitze. Gute 35 Grad und die Renndauer machten sich bemerkbar und ich verlor endgültig den Anschluss an die Gruppe. Für mich rückten damit die Top 10 außer Reichweite und ich konzentrierte mich auf den eigenen Tritt. Auf halber Höhe wartete Moritz bei KM 190 mit zwei weiteren Flaschen und einigen aufmunternden Worten. Die letzten 700 Höhenmeter zerrten meine letzten Kraftreserven auf, die Leistung schwand und sogar Krämpfe kamen auf den letzten Metern vor der Bergspitze hinzu. Obwohl mich noch der ein oder andere Fahrer überholte, war ich heilfroh, auf die letzte lange Abfahrt des Tages zu gehen und den Ötzi schließlich nach 7:16:22 Stunden zu finishen.
Der Tagessieg bei den Männern ging an den Italiener Manuel Senni in 6:49:18 Std. vor Alban Lakata (6:51:59) und Johnny Hoogerland (6:53:13). Bei den Frauen triumphierte die Kölnerin Janine Meyer mit neuem Streckenrekord von 7:27:47 Std. vor Samantha Amaudo und der Vorjahressiegerin Catherine Rossmann.
Für mich bleibt der Mythos “Ötzi” bestehen: Die Vorfreude und Anspannung Tage zuvor, die Dynamik und Demut während dem Rennen und die Erleichterung und der Stolz danach vereinen alle Teilnehmer und machen das Event zu etwas ganz Besonderem.