UCI Granfondo WM: Moritz Beinlich auf Platz 6
Kurz vor der Rad-WM der Profis in Glasgow fand im schottischen Perth auch die Granfondo-Weltmeisterschaft der Amateure statt. Auf einem hügeligen Kurs in den südlichen Highlands standen auch insgesamt neun Fahrer des Teams Strassacker an der Startlinie – der große Saisonhöhepunkt, bei dem wir unser Celeste für einen Tag gegen die weißen Nationaltrikots eintauschten.
Von Fabian Thiele
Nachdem unsere bisherige Saison schon ausgesprochen erfolgreich verlaufen war, wollten wir dem Jahr bei der WM der Amateure die Krone aufsetzen. Mit dem Ziel, einen Fahrer aufs Podium zu bringen, waren wir bereits am Montag nach Schottland angereist und konnten uns somit schon vier Tage lang akklimatisieren und die Strecke abfahren. Motiviert bis in die Haarspitzen und nervös wie selten standen wir dann am Freitag an der Startlinie am Fluss Tay in Perth. Anders als bei sonstigen Jedermannrennen und Gran Fondos wurden die Altersklassen und Geschlechter getrennt gestartet. So traten im großen Feld in der Klasse der 19-34-Jährigen mit Moritz Palm, Moritz Beinlich, Chris Mai, Lukas Klöckner, Jonas Bzrenczek und mir sechs, und in den Klassen Ü35 (Ben Witt), Ü40 (Joscha Weber) und Ü50 (Holger Koopmann) jeweils ein Sportler an.
Nicht weniger als 295 Athleten aus aller Herren Länder jagten in der Klasse bis 34 Jahre dem Traum vom Regenbogentrikot hinterher. Die Startphase gestaltete sich dann auch entsprechend hektisch. Jeder wollte vorne in guter Position fahren und zahlreiche Attacken führten zu einer stressigen ersten Rennstunde. Ich sprang in einige Gruppen mit, letztlich lösten sich aber fünf Mann ohne unsere Beteiligung, die sich einen Vorsprung von bis zu zweieinhalb Minuten herausfahren konnten. Nach etwa vierzig Kilometern fand sich unser Kapitän Moritz Palm, dem das Rennen auf den Leib geschneidert schien, plötzlich in einer Wiese in den Highlands wieder – vor ihm war es zum Sturz gekommen und er hatte nicht mehr ausweichen können. Damit lag unsere beste Karte aussichtslos zurück. Moritz kämpfte sich nach dem Crash auf den verbleibenden 120 Kilometern ohne Sattel und mit Schürfwunden aber immerhin ins Ziel.
Nach einer schnellen Abfahrt ging es in den ersten echten Berg des Tages mit noch 100 zu fahrenden Kilometern. Drei steile Kilometer mündeten in eine nur noch leicht ansteigende Hochebene. Hier wollte Moritz Beinlich eine erste Vorselektion herbeiführen, für die ich ihm einen Leadout fahren sollte. An meinem Hinterrad konnte ich ihn aber nicht finden, denn ihm war die Kette heruntergefallen – unsere beiden nominellen Kapitäne wurden also vom Pech verfolgt. Einige Belgier schlugen ein zügiges Tempo an und ich reihte mich in den Zug ein. Plötzlich tauchte Moritz an meiner Seite auf, er hatte sich wieder durchs Feld gepflügt. Das war aber kein Grund, vom ursprünglichen Plan abzurücken, kaum war Moritz an der Spitze angekommen, trat er an. Spätestens hier merkte man, dass wir bei einer WM fuhren, denn zahlreiche Fahrer konnten mitspringen und Moritz konnte keine richtige Lücke reißen. Unser Landsmann Simon Betz setzte einen Konter, der aber ebenso wenig verfing. Über die Kuppe war so eine Gruppe von etwa zwanzig Mann beisammen, die in der Abfahrt auf etwa fünfzig Fahrer anwuchs. Vom Team Strassacker befanden sich noch Moritz, Jonas, Chris und ich in diesem verbliebenen Feld.
Auf den folgenden zwanzig welligen Kilometern spannte ich mich vor die Gruppe um das nach wie vor enteilte Quintett und die an einer Welle entwischten Vince Mattens (BEL) und Matteo Cigala (ITA) nicht zu weit wegkommen zu lassen. Bei Kilometer 90 ging es in den zweiten und letzten Berg des Tages. Ich fuhr mit Moritz am Hinterrad an der Spitze der Gruppe in den Berg und hier kam richtiggehend Tour-Feeling auf. Zahlreiche Fans und Betreuer säumten die Straße und bildeten ein Spalier, das uns die Strapazen vergessen ließ. Moritz nutzte die Gunst der Stunde, riss mit Dennis Biederer eine Lücke und machte sich auf die Verfolgung. Diesmal ging das Loch auf, in der Gruppe dahinter wollte niemand so recht nachführen. Im Steilstück des Anstieges zerflog das restliche Feld in seine Einzelteile. Auf der Kuppe war der Rest der Spitzengruppe noch kurz vor einer etwa 15 Mann starken Verfolgergruppe, in der sich auch Moritz befand. Mit einer kleinen Lücke war eine nochmals knapp 30 Fahrer große Gruppe, in der ich saß. Auf der Kuppe überlegte ich noch kurz, die Lücke zuzuspringen – ich fühlte mich trotz meiner bisherigen Arbeit noch recht gut – doch entschied mich dagegen, weil in Radrennen erfahrungsgemäß alles wieder zusammenläuft. Dies war aber heute nicht der Fall, vielmehr schlug die Gruppe um Moritz ein höllisches Tempo an und ward nicht mehr gesehen.
An der Spitze kam es zum Zusammenschluss mit den Ausreißern des Tages und eine Selektion von 20 Fahrern ging auf die letzten 40 flachen Kilometer. Bis etwa 20 Kilometer vor dem Ziel arbeitete die Gruppe gut zusammen und kreiselte dem Ziel entgegen. Die Allianz war aber nicht von Dauer, vielmehr ging mit dem Ziel in greifbarer Nähe das unvermeidliche Attackieren los. Zahlreiche Angriffe wurden lanciert und wieder neutralisiert, auch Moritz versuchte es einige Male erfolglos. Zehn Kilometer vor dem Ziel konnte sich schließlich der Belgier Lars van Coppenolle lösen und eine Lücke reißen. In der Gruppe dahinter schauten sich alle an und keiner wollte die Nachführarbeit übernehmen und so wuchs das Loch an. Als Solist kam van Coppenolle ins Ziel und hatte noch genug Zeit, sein Rad ins Ziel zu tragen. Im Kampf um Silber startete Moritz seinen Sprint etwas zu früh und ihm schliefen im bergauf führenden Finale die Beine ein. Die Medaillen gingen so an Matteo Cigala aus Italien und Matthias Studer aus der Schweiz. Auf Rang sechs überquerte Moritz schließlich die Ziellinie. In der zweiten Gruppe bot sich ein ähnliches Bild, auch hier gingen zahlreiche Attacken im Finale und ich konnte mich mit vier Mitstreitern von der restlichen Gruppe lösen. Auf Rang 22 war ich zweitbester Fahrer unseres Teams, Jonas Bzrenczek und Chris Mai rollten in der dritten großen Gruppe ins Ziel.
In den Rennen der Altersklassen konnten Ben Witt und Joscha Weber jeweils am letzten Anstieg nicht ganz dem Tempo der besten folgen. Auch ihre Attacken im Finale blieben leider erfolglos und so kamen die beiden in den jeweiligen Hauptfeldern ins Ziel. Einen starken Auftritt lieferte Routinier Holger Koopmann in der Klasse Ü50 ab, der mit Rang sechs belohnt wurde.
Teamchef Franco Adamo, der das Team vom Streckenrand betreute und verpflegte, zog ein positives Feedback: “Der Sturz von Moritz Palm hat ein Stück weit unsere Taktik durchkreuzt. Er wäre bei einem Sprint ein aussichtsreicher Kandidat gewesen. Aber mit einem sechsten Platz durch Moritz Beinlich können wir angesichts der sehr starken Konkurrenz gut leben. Wir haben alles gegeben”. Insgesamt sind wir nach der WM um eine tolle Erfahrung reicher und können mit Recht sagen, uns auch international behaupten zu können, auch wenn das Niveau sicherlich ein anderes ist, als in den deutschen Rennen. Mit der erhofften Medaille hat es zwar am Ende nicht geklappt, aber wir haben alles in die Waagschale gelegt und ein taktisch fehlerfreies Rennen abgeliefert. Gerade in einem so offenen und wenig selektiven Finale hängt es am Ende oft vom Zufall ab, welcher Vorstoß von Erfolg gekrönt ist. Dementsprechend zufrieden treten wir am Montag die Heimreise an, vorher statten wir aber noch dem Rennen der Profis am Sonntag in Glasgow einen Besuch ab, um unseren Schottlandtrip abzurunden.
Danke an die Sponsoren und den daheimgebliebenen für das Daumendrücken und mitfiebern.