Rad am Ring: 24-Stunden-Krimi auf der Nordschleife
Zum ersten Mal in der Teamgeschichte wagte sich das Team Strassacker mit zwei Viererteams zum prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. An einem äußerst spannenden und ereignisreichen Wochenende gelangen zwei Siege aus vier Starts.
Von Fabian Thiele
“Wo ist die Wechselzone? Wooo??” stand am Samstagmittag gegen 13:40 in unserem WhatsApp Chat. Das war an sich eine berechtigte Frage, sie gewann allerdings dadurch an Brisanz, dass sie von Dennis Biederer gestellt wurde. Dennis war als Startfahrer unseres Teams 1 unterwegs und befand sich schon auf der ersten Runde des Rennens. Allerdings hatte er sich auf der Grandprixstrecke auf dem Weg zurück zu unserem Teamzelt verfahren, wo mit Chris Mai bereits der zweite Fahrer in den Startlöchern stand. In den folgenden Minuten brach leichte Panik aus und wir sahen schon nach der ersten Runde unsere Felle davonschwimmen. Jonas Kahler brachte Team 2 auf den Weg und übergab den Staffelstab an Johannes König, während von Dennis weiterhin keine Spur war. Zum Glück hatte er sein Handy dabei und so konnte ich ihn doch noch an die richtige Stelle lotsen und Chris machte sich auf die Verfolgung. Die ganze Aktion hatte uns allerdings mehr als zehn Minuten gekostet – eine schwere Hypothek. Damit war unsere Taktik schon über den Haufen geworfen, bevor das Rennen richtig begonnen hatte. In Anbetracht der Länge des Wettkampfes hatten wir uns vorgenommen, möglichst defensiv mitzufahren und die Entscheidung erst am Sonntagmorgen herbeizuführen. Das war nun aber schon passé, stattdessen mussten wir vom Start weg Vollgas gehen.
Zahlreiche Umstellungen in den Viererteams
Schon die unmittelbare Vorbereitung war etwas holprig verlaufen. Moritz Palm
und Moritz Beinlich, die beide für Team 1 vorgesehen waren, fielen in den
Wochen vor dem Rennen aus. Moritz P. hatte sich bei einem Sturz beim Hegau
Grevel Ende Juni ein Muskelbündel im Oberschenkel gerissen, Moritz B. die Woche
vor Rad am Ring mit Corona das Bett gehütet. Dafür rückten Nils Kessler und ich
ins erste Team nach. Dadurch wurden in Team 2 die Planungen ebenfalls
durcheinandergeworfen, zumal der vorgesehene Ersatzfahrer Jannis Wittrock am
Tag vorm Rennen auch noch mit Erkältung absagen musste. Im zweiten Team kamen
so schließlich neben Jonas und Johannes noch Jonas Bzrenczek und Joscha Weber
zum Einsatz, letzterer feierte sein gefühlt zehntes Comeback vom Karriereende.
Trotz alledem wollten wir mit Team 1 weiter um den Sieg fahren. Bei Team 2 ging
es vor allem darum, Spaß zu haben und eine gute Performance abzuliefern, gerade
weil drei der vier Fahrer ihr erstes Rennen nach langen Pausen bestritten.
Außerdem machte sich noch Daniel Novak an das Projekt Titelverteidigung über
die 24 Stunden in der Einzelwertung. Neben uns Sportlern waren mit Teamchef
Franco Adamo noch unsere Passivmitglieder Jürgen, Michael und Frank dabei, die
sich vorbildlich um die Betreuung während des Rennens kümmerten.
Moritz Palm siegt über die 150 km
Parallel zum 24 Stundenrennen fand wie immer noch das
150-Kilometer-Jedermannrennen statt. Hier starteten Phil Peitzmeier bei den
Herren und Jael Kahler (ehem. Heinrich) bei den Damen. Auch Moritz P. hatte
spontan noch gemeldet, nachdem er unter der Woche schon wieder halbwegs
schmerzfrei trainieren konnte. Jael und Phil gaben ebenfalls ihre Comebacks
nach langen Verletzungspausen. Beide mussten der Hitze Tribut zollen und
konnten kein Ergebnis einfahren. Moritz dagegen fuhr ein sehr starkes Rennen.
Nachdem sich eine frühe Ausreißergruppe gelöst hatte, behielt er auch ohne die
Unterstützung der Teamkollegen die Ruhe und forcierte am langen Anstieg zur
Hohen Acht Runde um Runde das Tempo. In der letzten Runde wurde schließlich der
letzte Ausreißer gestellt und Moritz kam als Teil einer Vierergruppe auf die
Zielgerade. Dort war gegen ihn kein Kraut gewachsen und mit mehreren Radlängen
Vorsprung konnte er sich den Sieg im Sprint sichern. Nach den Plätzen vier und
zwei in den letzten beiden Jahren durfte er damit einen weiteren Sieg bei einem
der großen deutschen Jedermannrennen feiern.
Hochspannung über die 24 Stunden
Bei den Viererteams entwickelte sich unterdessen ein Krimi erster Güte. Unser
Team 1 konnte angespornt durch das Malheur zum Auftakt Runde um Runde Zeit gut
machen. Von Platz zwölf nach der zweiten Runde arbeiteten wir uns Stück für
Stück nach vorne und lagen nach etwa acht Runden schon auf dem dritten Rang.
Der Abstand zu den beiden führenden Teams wollte aber nur langsam schrumpfen
und pendelte sich zwischen acht und sechs Minuten ein. In Front lagen mit den
Ledschends die Titelverteidiger und mit Philipps Bikecrew aus der Schweiz die
Zweitplatzierten des Vorjahres. Mit Einbruch der Dunkelheit kam Bewegung in die
Sache. Plötzlich näherten wir uns auf drei Minuten an und befanden uns damit in
Schlagdistanz. Team 2 hatte sich unterdessen auf Rang fünf eingependelt. Ab
Mitternacht änderten wir unseren Rhythmus. Statt alle vier Fahrer nacheinander
(A, B, C, D) wechselten wir uns nun in Zweierpärchen ab (A, B, A, B; C, D, C,
D), um etwas längere Pausen zum Schlafen zu haben. Dennis und Chris machten in
Team 1 den Anfang und auf meiner ersten Nachtrunde konnte ich schließlich die
Lücke zu den Ledschends schließen. Nils und ich fuhren dann jeweils eine Runde
mit den Titelverteidigern zusammen und auf seiner zweiten Runde schloss Nils
die Lücke zu den Spitzenreitern von Philipps Bikecrew. Bei Anbruch der
Dämmerung war damit das Rennen zum ersten Mal am Tag vollkommen offen, die
letzten acht Stunden versprachen also weiter Höchstspannung. Damit nicht genug,
öffneten sich die Himmelsschleusen und der neue Tag begann mit nassen und sehr
rutschigen Straßen.
Daniel hatte noch am Samstagabend aufgrund der Hitze die Segel streichen und den Traum von der Titelverteidigung begraben müssen.
Und plötzlich läuft’s…
Kaum war die Lücke zur Spitze geschlossen, blies der nun wieder fahrende Dennis
zum Angriff – wenn auch eher unfreiwillig. Während einer der beiden
Konkurrenten bei den rutschigen Straßen zu Sturz kam und dadurch den Anschluss
verlor, konnte der andere das Tempo von Dennis an der Hohen Acht nicht
mitgehen. Nicht weniger als drei Minuten fuhr Dennis auf seiner Runde heraus
und brachte uns das erste Mal in Front. Das Blatt hatte sich also gewendet!
Jetzt hieß es, kein unnötiges Risiko einzugehen und den orsprung zu
verteidigen. Das klappte hervorragend, denn motiviert von der Aussicht auf den
Sieg konnten wir unsere Rundenzeiten auf abtrocknender Strecke sogar wieder
steigern. Unsere Konkurrenz verlor dagegen Runde um Runde eine Minute nach der
anderen. Am Vormittag wuchs die Lücke erstmals auf über zehn Minuten und der
Sieg war zum Greifen nah. Mittlerweile konnten wir auch ausrechnen, dass Dennis
die letzte Runde fahren würde, es wäre dann die 33. Alle Fahrer und Betreuer
kamen an die Strecke und nahmen Dennis um 12:18 Uhr in Empfang. Großer Jubel
und Erleichterung machten sich breit. Trotz unseres anfänglichen Rückschlags
hatten wir uns nie aus der Fassung bringen lassen und konnten schließlich mit
einer sehr konstanten und ausgeglichenen Teamleistung einen deutlichen Erfolg
einfahren. Damit endete unser Ausflug weg von den Eintagesrennen auf die
Langdistanz mit einem wunderbaren Ergebnis, denn auch unser Team 2 hielt sich
bis zum Schluss vortrefflich und beendete das Rennen auf Rang fünf. Neben dem
sportlichen Erfolg war das ganze Wochenende aber auch eine sehr gute
Teambuildingmaßnahme, die darüber hinaus noch sehr viel Spaß gemacht hat.
Jetzt geht es aber zurück in unser angestammtes Revier. Beim Jedermannrennen der Deutschlandtour wollen wir unsere Siegesserie der Vorjahre fortsetzen, bevor wir in den folgenden beiden Wochen mit der Granfondo-WM in Dänemark, dem Ötztaler Radmarathon und dem Riderman die letzten Highlights des Jahres mit großen Ambitionen in Angriff nehmen.